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Blog 17.11

Warum ich gerne ein „alter weißer Mann“ bin.

 

Nachdem mir der Begriff „weiße alte Männer“ immer öfters begegnet, habe ich das zum Anlass genommen, ein wenig über diese „Formulierung“ nachzudenken. Ab wann genau ist Mann alt? Aus der Sicht eines fünfjährigen Kindes ist bereits ein Zehnjähriges alt, aus der Sicht von 15-jährigen sind es 30-jährige, 25-jährige finden 40-jährige alt, 35-jährige können das Alter von 50-jährigen kaum nachvollziehen, für 45-jährige sind 60-jährige schon ziemlich jenseits, 55-jährige fühlen sich Lichtjahre von 70-jährigen entfernt, 65-jährige fühlen sich jung gegenüber 80-jährigen und Hundertjährige bezeichnen grundsätzlich alle unter 90 als Jungspunde. Anders gesagt, man empfindet von klein an Ältere – unabhängig vom realen Alter, als alt. Sich selber aber meist als jung.

Aber steckt nicht sowieso in jedem jungen Menschen bereits auch ein alter, und in jedem alten auch ein junger, vor allem gegen das Ende hin?

Aber einem Menschen das Alter zum Vorwurf machen? Oder ihm die Hautfarbe vorwerfen? Gäbe es dafür nicht gerade in jüngster Zeit die zwei Begriffe Diskriminierung und Rassismus, die sonst allgegenwärtig sind?

Und wie schaut es denn mit  den „jungen“ bösen Männern aus? Tatsache ist, dass Mord fast ausschließliche eine Domäne von jungen Männern (aus unteren Schichten), und in den wenigsten Fällen von weißen ist. Das hat vor allem soziale Ursachen. Zum Vergleich: in Venezuela oder El Salvador z.B. ist die Mordrate 60mal höher als in Europa. Die Mordrate in den USA ist unter Afroamerikanern 4mal höher als unter Weißen. Das hat damit zu tun, dass dort die schwarze Unterschicht kein Vertrauen in den Staat hat und deswegen viel öfters zur Selbstjustiz greift siehe Steven Pinker, Gewalt/2018. Und vier Fünftel aller Ermordeten sind übrigens Männer!

Damit Männer dann zerstörerisch in großem Stil werden können, brauchen sie Macht, und das dauert in den meisten Fällen, bis man diese erreicht hat. Ich habe mal versucht, eine Aufstellung „böser alter Männer“ sämtlicher Couleurs zu machen. Es gibt böse alte weiße europäische, böse alte südamerikanische, böse alte afrikanische, böse alte nordafrikanische, böse alte asiatische und böse alte muslimische Männer, die in der nachfolgenden, auf das 20.Jh beschränkten Aufstellung, Zerstörung und Leid hinterlassen haben, oder es im Fall von Bashar al-Assad noch immer tun.

 

BÖSE ALTE MÄNNER

In Europa

Hitler* (1889 – 1945) – 55 Mio Tote im 2. Weltkrieg.

Stalin (1878 – 1953) – 25 Mio Opfer durch stalinistische Säuberungen.

Franco (1892 – 1975) – 1,2 Mio Opfer im Bürgerkrieg.

 

In Südamerika

Augusto Pinochet (1915 – 2006), Chile – Brutaler Diktator.

Anastasio Somoza (1925 – 1980), Nicaragua – Brutaler Diktator.                                  

Alfred Stroessner (1912 – 2006), Paraguay - Brutaler Diktator.

 

In Afrika

Idi Amin (1928 – 2003), Uganda – 300.000 Opfer durch Willkür.

Charles Taylor (1948, lebenslang inhaftiert), Liberia – 300.000  Opfer durch Willkür. 

Jean Kambanda (1955, lebenslang inhaftiert), Ruanda – 800.000 Tote im Bürgerkrieg.

Im Nahen Osten und Nordafrika

Saddam Hussein (1937 – 2006), Irak – 1. 300.000 Opfer durch Willkür.

Muammar al Gadaffi (1942 – 2011) – 50.000 Tote im Bürgerkrieg.

Bashar al-Assad (1965), Syrien – bis jetzt 130.000 Tote im Bürgerkrieg.

In Asien

Mao Zedong (1893 – 1976), China – 40 Mio. Opfer durch

Enteignung, Arbeitslager, Kulturrevolution und staatlich verursachte Hungersnöte.

Hirohito (1901 – 1989), Japan – 10 Mio. Tote durch den Japanisch-Chinesischen Krieg und den Angriff auf Pearl Harbor.

Pol Pot (1925 – 1998), Kambodscha – 1 Mio. Opfer, Genozid an der eigenen

Bevölkerung.

In muslimischen  Staaten

Ruhollah Chomeini (1902 – 1989), Iran – Errichtung einer brutalen islamischen Republik.

Osama Bin Ladin (1957 – 2011), Saudi-Arabien – Gründer der Terrorgruppe al – Quaida.

Abu Bakr al-Baghdadi (1971 – 2010), Irak – Anführer der dschihadistisch-salafistischen Terrororganisation Islamischer Staat (IS).

In Amerika

Hier liegen die Dinge wesentlich komplizierter. Kein Land trägt eine so große Verantwortung für den Weltfrieden wie die USA. Die Amerikaner haben einerseits Europa vom Joch Hitlers befreit, andererseits viele unerfreuliche Diktaturen weltweit unterstützt. Doch das waren nie Einzeltäter wie in den meisten anderen Ländern und Kontinenten, vor allem deshalb, weil Amerika von Anfang an eine Demokratie war. Aber hier, zumindest aus meiner Sicht drei sehr unerfreuliche Amerikaner:

 

Elvis Presley (1935 – 1977) – Mit seinem unerfreulichen Verhalten und seiner sehr bescheidenen Musik öffnete er der Popmusik und Popkultur, die zur Infantilisierung der Massen im Westen geführt hat, Tür und Tor.

Steve Bannon (1953) – Spaltet bewusst die USA und den Westen (Breitbart-News) und wird uns noch wohl noch wesentlich länger als sein Kumpane Donald Trump erhalten bleiben.

Markus Zuckerberg (1984) –  Dank seines völlig infantilen Formates FB, verantwortlich für Millionen von Fake News und Manipulationen von Wahlen. Ist der einzige „junge Böse“ in meiner Aufstellung.

* Dass einer der schlimmsten Verbrecher der letzten Tausend Jahre ausgerechnet Österreicher war und hierzulande immer noch genügend „Verehrer“ hat, ist kaum nachvollziehbar. Bezogen auf die größten Verbrechen liegt der chinesische An-Lushan-Aufstand aus dem 8.Jh mit 36 Mio. Opfern, was zur Mitte des 20.Jh 429 Mio. entsprochen hätte, an erster Stelle! Siehe Aufstellung aus Gewalt von Steven Pinker 

Nun folgen „gute alte Männer“, die sich für Freiheit, Frieden, Versöhnung und gesellschaftlichen Fortschritt eingesetzt haben oder es immer noch tun. In dem Zusammenhang wären auch noch die (meist weißen) Nobelpreisträger (im Median 60 Jahre alt) zu erwähnen, wobei die Juden, 23% aller Preisträger stellen, selber aber nur 0,2 % der Weltbevölkerung ausmachen.

Und für noch etwas sind die fast ausschließlich „weißen alten Männer“ zuständig, für die Philanthropie, allen voran natürlich Bill und (Melinda Gates). Jährlich spenden allein reiche Europäer zw. 80 und 180 Milliarden Euro

71.000 Stiftungen gibt es in den USA, in denen 470 Milliarden Dollar
 liegen. In Europa gibt es zwischen 90.000 und 110.000 Stiftungen, mit 350 bis 1000 Milliarden Euro dotiert. Der Grund, warum es Philanthropie fast ausschließlich in Westeuropa und den USA gibt, dürfte wohl mit dem Christentum zu tun haben. Interessant dazu die Verteilung der Milliardäre, von denen es weltweit 2101 gibt: Nordamerika: 652, Zentral und Südamerika: 97, Westeuropa: 397, Osteuropa: 151, Naher Osten und Nordafrika: 50, China: 436, Südostasien: 282 und Ozeanien: 36. Insgesamt sind Milliardäre 1.200 weiß, und 901 nicht weiß. 233 davon sind Frauen. In Asien sind mehr als die Hälfte der Milliardärinnen aus eigener Kraft reich geworden! Den höchsten Frauenanteil gibt es in Ozeanien.

Und hier nun das Pendant zu der ersten Aufstellung: alte Männer, die in den letzten hundert Jahren Gutes bewirkt haben, bzw. bewirken:

 

 

GUTE ALTE MÄNNER

In Europa/Russland

Albert Einstein (1879 – 1955), Ulm – Wissenschafter, Pazifist und Geiger.

Alexander Fleming (1881 – 1955), England –Erfinder des Penicillin.

Michail Gorbatschow (1931), Russland – Beender des Kalten
Krieges.

 

In Afrika

Nelson Mandela (1918 – 2013), Südafrika – jahrzehntlanger Kämpfer gegen die Apartheid, erster schwarzer Präsident Südafrikas. Insgesamt 27 Jahre inhaftiert.

Desmond Tutu (1931) – Bischof und ab 1995 Vorsitzender der südafrikanischen Versöhnungskommission.

Abiy Ahmed (1976), Äthiopien – hat dieses Jahr den Friedensnobelpreis für den Friedensschluss mit  Eritrea erhalten.

Im schwarzen Amerika

Louis Armstrong (1901 – 1971) – Weltweiter musikalischer Friedens- und Jazzbotschafter.

Martin Luther King (1929 – 1968) – Versöhnender Bürgerrechtsaktivist,

Gegner von Gewalt und Initiator des Marsches auf Washington.

Barack Obama (1961) – Grosser Hoffnungsträger und erster afroamerikanischer Präsident von 2008 bis 2016.

Im weißen Amerika

Leonhard Bernstein (1918 – 1990) – Unermüdlicher Botschafter europäischer

und amerikanischer Musik.

Steven Spielberg (1946) – Gesellschaftlich engagierter Regisseur grosser Filme.

Bill Gates (1955) – Philantrop. Spendete allein zwischen 2013 und 2015 11,6 Mia. Dollar.

In Indien, Asien

Mahatma Gandi (1869 – 1948) Indien – Freiheitskämpfer mit Gewaltsverzicht. Grosses

Vorbild aller Pazifisten.

Tenzin Gyatso (1935) Tibet – 14. Dalai Lama.

Ai Weiwei  (1957) China – Künstler und Menschenrechtler.

 

 

Versöhnliche Muslime

Bassam Tibi (1944), Damaskus/lebt in Deutschland – Gegner des islamischen Fundamentalismus. Kämpft für einen demokratischen, modernen Islam.

Hamed Abdel Samad (1972), Kairo/ lebt in Deutschland – Verfasser zahlreicher

islamkritischer Bücher, u.a. Ist der Islam noch zu retten?: Eine Streitschrift in 95 Thesen.

Mouhanad Korchide (1971), Beirut/lebt in Wien – Ehemaliger Imam in Wien, Vertreter eines modernen, aufgeklärten und freiheitsbezogenen Islam.

Interessant ist, dass die meisten der “Bösen” mit guten Vorsätzen beginnen, das auch eine Zeit lang durchhalten und Dinge zum Positiven verändern, um dann irgendwann machttrunken abzubiegen und am Schluss größenwahnsinnig zu werden. Weiterhin ist interessant, dass die meisten, die einen Mord begehen, glauben, dass sie im Recht sind und somit etwas Richtiges, sprich Gutes tun. Gut und Böse liegen ganz nahe beieinander, und am Schluss entscheidet in den meisten Fällen die Sozialisation darüber, in welche Richtung man sich entwickelt (Steven Pinker).

Und hier noch ein Beispiel aus meiner Vergangenheit, wo ich Ende der 6oer- bzw. Anfang der 70-er Jahre zwei radikale Ökoaktivisten kennengelernt habe. Mit dem einen, mit Marco Camenisch, war ich ein Jahr lang in Samedan und dann in Schiers in der selben Schulklasse, und der zweite, Bruno Manser, war ein enger Freund der Schwester meines besten Freundes.

Der militante Atomkraftgegner Camenisch (aus Campocologno/GR) hatte das Gymnasium abgebrochen und sich auf einen Selbstversorger-Bauernhof in der Nähe von Schiers zurückgezogen. Nach einem Sprengstoffattentat auf einen Hauptmasten der nordostschweizerischen Kraftwerke erhielt er 1980 unfassbare zehn(!) Jahre unbedingt! Bei einem Gefängnisausbruch 1981 zu sechst wurde ein Wärter erschossen, Camenisch tauchte nach Italien ab und radikalisierte sich dort weiter. Wie sich später herausstellte, hatte er den Wärter nicht erschossen. Wohl aber einen Grenzwächter in Südgraubünden 1989? Das wurde nie geklärt. Bei der Festnahme 1991 in der Toskana gab es wieder einen Schusswechsel mit der Polizei. Am 10.3. 2017 wurde Marco Camenisch bedingt aus der Haft entlassen.

Bruno Manser aus Basel arbeitete von 1973 bis 1984 als Schafhirt in Graubünden und von 1984 bis 1990 im Dschungel von Borneo, wo er den Regenwald sowie Kultur und Sprache der einheimischen Penan, mit denen er eng zusammen gelebt und gegen die Abholzung des Regenwaldes gekämpft, genauestens studiert hatte Er wurde von der malaysischen Regierung zur Persona non grata erklärt, wobei ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt war. Er verliess Malaysia, um im Jahr 2000 wieder dorthin zurückzukehren. Seit dem 25. Mai 2005 gilt  Bruno Manser als offiziell verschollen.

Ein Leben für den Regenwald. Auszüge aus den Tagebüchern. Christoph Merian Verlag, Basel 2007

Beide der damals jungen Männer wollten Gutes tun, in dem sie gegen drohende Zerstörungen durch unsere westliche Zivilisation kämpften. Der Eine militant, der Andere gewaltlos. Und beider Leben hat sich in eine komplett gegensätzliche Richtung entwickelt. Leider in beiden Fällen in eine tragische.

Aber vielleicht ist es ja doch so, dass man am Ende das Produkt seiner eigenen Entscheidungen, und nicht seiner Sozialisation ist?

Und weil ich weder jung, noch weiblich noch außereuropäisch bin – und daran auch nichts ändern kann, bin ich zwangsläufig ein “alter weis(s)er Mann”, aber das dafür gerne. Vielleicht einfach auch nur ein Mensch.

 

mathias rüegg

 

Nächster Blog am 1.12.: Andy Scherrer - Eine grosse europäische Stimme ist verstummt!

 

Ps: Es tut mir leid, dass in diesem Männrblog keine Frauen vorkommen, denn es ist ein Beitrag zum Internationalen Männertag am 19.11. Aber „Frau“ könnte ja einen ähnlichen Blog mit derselben Struktur zum Thema “Alte weisse Frauen” verfassen…

 

 

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